“Es gibt Menschen in der Kunstszene, die sehen in Wilma Lock die Betty Parsons der Schweiz- selbstverständlich ohne die Dramen und Skandale, von denen die berühmte Förderin der amerikanischen Nachkriegskunst umweht war. Schließlich sind wir in der Schweiz. Was Wilma Lock aber tatsächlich mit der Amerikanerin verbindet, ist ihre unermüdliche Entdeckungslust seit fast drei Jahrzehnten.
Wer hat nicht alles über ihre Galerie das Parkett des Kunstmarkts betreten? Wen hat sie nicht in die Schweiz gebracht? Roman Signer zum Beispiel hat bei Wilma Lock seine ersten Sprengskulpturen realisiert – manch braver Bürger von Sankt Gallen zeigte der Galeristin dafür einen Vogel, andere beschmierten empört die Fassade ihres Hauses. Der Zeichner, Maler und Objektkünstler Markus Raetz fand bei ihr eine schützende Umgebung, der Wiener Erwin Wurm verblüffte sein Publikum in ihren Räumen mit einer seiner riskanten Installationen. Als erste holte Wilma Lock die Deutschen Boris Nieslony, Imi Knoebel, Franz Erhard Walther und Jürgen Partenheimer ins Land und vermittelte sie für große Ausstellungen an Schweizer Museen. So weiß auch der Direktor der Kunsthalle Zürich, Bernhard Bürgi, wie viel er der stillen Galeristin verdankt.
Die Anfänge waren gleichwohl steinig; zwar gab es die Erker-Galerie mit Künstlern wie Antoni Tapies, Robert Motherwell oder Günther Uecker – trotzdem war Sankt Gallen in der Kunst tiefste Provinz. Die Euphorie, mit der sich die 68er-Generation trotzdem um Qualität bemühte, half darüber hinweg, ab und zu kam der Ausstellungsmacher Jean-Christophe Ammann zur Unterstützung vorbei – doch ohne die Basler Kunstmesse, sagt Wilma Lock, hätte sie die ersten Jahre in dieser Kunst-Einöde trotzdem nicht überstanden. Wer reiste 1969 schon nach Sankt Gallen, um anspruchsvolle Gegenwartskunst zu sehen? In Basel wurden alle wichtigen Kontakte geknüpft. Langfristig sicherte sich die Galeristin durch ein konsequentes Programm ab. Kurzlebige Trends interessieren sie wenig.
Was Wilma Lock zeigt, braucht eine kunstgeschichtliche Basis. Marcel Duchamp auf der einen und der Konstruktivismus auf der anderen Seite sind die Eckpfeiler ihres Programms – eine für die Schweiz lange Zeit ungewöhnliche Kombination. Die Einheit von Künstler und Werk ist ihr wichtig, das so schöne wie unzeitgemäße Wort Wahrhaftigkeit eines ihrer zent- ralen Kriterien, Charakter ein anderes. Das schnelle Geld war nie eine Versuchung, das Geschäft mit hochgepuschten vermeintlichen Stars hatte bei ihr nie eine Chance. Vielleicht gerade wegen ihrer Kompromißlosigkeit mußte Wilma Lock, ähnlich der berühmten New Yorker Kollegin Betty Parsons, immer wieder Verluste hinnehmen, materielle wie ideelle: Viele Künstler wechselten, sobald sie bei ihr groß geworden waren, zu größeren Galerien. Das war bei Roman Signer nicht anders als erst kürzlich bei Franz West, für den sich jahrelang in der Schweiz sonst niemand interessiert hatte.
Wilma Lock setzt diesen Abwanderungen ihre Lust auf Neuentdeckungen entgegen. Sie engagiert sich für noch wenig bekannte junge Schweizer Künstler wie Beat Zoderer oder Ernesto Baltiswiler, hat aber auch ein Gespür für Entwicklungen in den internationalen Metropolen. Aus Paris gewann sie Bernard Frize, aus New York Stephen Westfall und aus London Mark Francis für ihr Programm – noch bevor diese Künstler vom großen Markt entdeckt wurden.”
” Starke Fürsprecher für die junge Kunst”, Gerhard Mack, art 1999